Kunstkritik von Mario Berdič Codella
Gernot Wimmer „Gerry“ stellt seine Kunstwerke in Form einer virtuellen Ausstellung vor und teilt seine digitalen Grafiken in zwei große Zyklen, die er Fingerprints und Extended Fingerprints nennt.
Beide Titel haben eine kryptografische Bedeutung. Finger lautet auf Lateinisch nämlich digitus und daraus erschließt sich der digitale Print, obwohl es sich eher um „mouse tracks“ handelt, weil sowohl seine „Zeichnungen“ als auch „Malereien“ mittels Computertechnik erstellt und vom Künstler offensichtlich als Computergrafiken bildnerisch umgesetzt werden.
Eigentlich unterscheidet sich der malerische Zyklus Extended Fingerprints vom ursprünglich schwarz-weißen zeichnerischen Zyklus Fingerprints nur durch die zusätzliche Färbung der Bildfläche (kolorierte Zeichnungen), die eine ganz bestimmte Atmosphäre schafft. Dabei handelt es sich um eine ausgeprägte Farbensymbolik: so steht zum Beispiel Rot für Leidenschaft oder Leiden (passio), Gelb oder Gold für Mystik, Weiß für Übernatürliches, Blau für Weisheit oder Unendlichkeit des Universums, Grün für Natur oder Fruchtbarkeit usw.
Wimmers digitale Grafiken werden in einem unverkennbaren Kunststil geschaffen, da er mit seinen organischen, d. h. rundlichen oder kurvigen, Formen die eigene Fantasiewelt abbildet, in der sich Menschen zwar einsam fühlen, aber in Wirklichkeit durch ein Netzwerk, das manchmal unterbrochen wird oder hier und da ans Nervengewebe oder das Internet erinnert, sowohl spirituell als auch kosmisch miteinander verbunden sind.
Eine weitere stilistische Besonderheit stellt der organisch wirkende Hintergrund dar, bestehend aus unregelmäßigem, kreisförmigem „Zellengewebe“, manchmal aber auch aus seltsamen, intestinal erscheinenden Fragmenten. In solchen „Biotopen“ werden dann menschliche Figuren in Einzel- oder Gruppenkompositionen angeordnet, die mehrheitlich und manchmal im homoerotischen Verhältnis zueinander aus Frauenakten bestehen oder seltener mit männlichen Figuren bestückt sind. In diesem Fall ist die Beziehung nicht nur körperlich oder sinnlich abgebildet, sondern wird auch seelisch hervorgehoben.
In seinen Bildern findet man unter anderen Kunstmotiven wie Blumen durchaus rare Exemplare, die sowohl aus der Antike stammen − wie zum Beispiel Kentauren und als absolute Seltenheit sogar Kentaurinnen − als auch andere seltene ikonografische und symbolische Motive darstellen.
Dazu gehört auch die einzige Abbildung des Gekreuzigten in Wimmers gesamtem Opus. Jesus Christus wird mit totscheinendem Antlitz in diagonaler Projektion nur als Torso abgebildet, und zwar ohne Dornkrone, da die Bildfläche ohnehin von stacheldrahtartigen Vernetzungen als Symbolen ungeheuerlichen Leidens durchzogen ist. Ein weißer Blitz als Reanimierungsversuch schlägt vom Himmel in den linken Arm Jesu ein, was in solcher Form sicherlich noch nie zuvor abgebildet wurde. Die tatsächliche Reanimierung erfolgt jedoch von rechts in Form einer goldenen Wolke, Symbol des Heiligen Geistes, der durch den Mund Christi einzutreten scheint.
Das Bild des Gekreuzigten von Gernot Wimmer stellt sowohl eine ikonografische Rarität als auch den Höhepunkt seines bisherigen künstlerischen Schaffens dar. Seine Kunstwerke kann man auf jeden Fall als Seltenheiten bezeichnen, denen ein unnachahmlicher Stil zugrunde liegt und die den Betrachter zum Nachsinnen über menschliche und göttliche Liebe sowie generell über den Sinn des Lebens verpflichten.
Mario Berdič Codella, Kunstkritiker und Kurator, Maribor, April 2019